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Frauen schlafen länger – aber nicht besser

Im Durchschnitt brauchen Frauen mehr Schlaf als Männer. Das zeigt eine wachsende Zahl an Studien. Die Gründe sind vielfältig: Biologie, psychische Belastungen und gesellschaftliche Strukturen spielen eine Rolle. Und dennoch berichten Frauen häufiger von Schlafproblemen.

In sozialen Medien wird sie oft diskutiert – die Behauptung, Frauen würden mehr Schlaf benötigen als Männer. Eine australische Psychologin bestätigt nun die These: Im Schnitt schlafen Frauen tatsächlich länger. Amelia Scott, Schlafexpertin an der Monash University, hat im Fachmagazin „The Conversation“ den aktuellen Stand der Forschung zusammengefasst. Ihr Fazit: Ja, Frauen schlafen mehr – aber sie fühlen sich oft weniger erholt.

Rund 20 Minuten mehr Schlaf

Die Datenlage ist eindeutig. So belegt eine internationale Untersuchung mit rund 70.000 Personen: In sämtlichen Altersgruppen schlafen Frauen etwas länger als Männer – im Schnitt etwa 20 Minuten. Besonders deutlich wird der Unterschied bei Erwachsenen zwischen 40 und 44 Jahren. Dort schlafen Frauen laut Studie zwischen 23 und 29 Minuten länger pro Nacht.

Auch schlafmedizinische Analysen kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Frauen verbringen demnach nicht nur länger im Bett, sondern nutzen diese Zeit effektiver: Ihr Anteil am regenerierenden Tiefschlaf liegt bei etwa 23 Prozent, während Männer nur rund 14 Prozent ihrer Nacht in dieser Schlafphase verbringen.

Die Psychologin warnt jedoch vor falschen Verallgemeinerungen. „Unsere individuellen Schlafbedürfnisse variieren erheblich“, so Scott. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern sei vergleichbar mit dem bei der Körpergröße – messbar, aber nicht für jede Person relevant. Fest steht aber: Ausreichender Schlaf ist für die Gesundheit entscheidend.

Deutschland schläft zu wenig

In Deutschland schlafen Erwachsene im Durchschnitt rund sieben Stunden pro Nacht. Damit liegt die Bundesrepublik am unteren Rand der empfohlenen Schlafdauer von sieben bis neun Stunden. Viele Menschen erreichen dieses Minimum nicht. Fast jeder Zweite gibt an, unter Einschlaf- oder Durchschlafstörungen zu leiden – Tendenz steigend.

Warum schlafen Frauen länger?

Für den geschlechterspezifischen Unterschied beim Schlaf gibt es mehrere Erklärungen. Zum einen sind es biologische Faktoren. Hormonelle Veränderungen – etwa während des Menstruationszyklus, in der Schwangerschaft oder den Wechseljahren – beeinflussen das Schlafbedürfnis. „Das weibliche Hormonsystem ist sensibler und reagiert deutlich auf äußere und innere Veränderungen“, so Scott.

Hinzu kommen psychische Belastungen. Studien zeigen, dass Frauen häufiger unter Depressionen, Angstzuständen oder innerer Unruhe leiden. Sie neigen eher zum Grübeln – ein Prozess, der das Einschlafen erschwert und die Qualität des Schlafs beeinträchtigen kann.

Nicht zuletzt spielen gesellschaftliche Rollen eine erhebliche Rolle. Frauen übernehmen nach wie vor den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit in Familie, Pflege und Haushalt. Diese Belastung wirkt oft bis in die Nacht hinein. „Viele Frauen schaffen es zwar, sich nachts Zeit für Schlaf zu reservieren“, erklärt Scott. „Doch sie haben tagsüber kaum Gelegenheit für Erholung. Dadurch wird der Nachtschlaf besonders wichtig – und gleichzeitig besonders fragil.“

Länger schlafen – aber weniger erholt

Trotz messbar längerer Schlafdauer fühlen sich Frauen laut Studien oft weniger ausgeruht. Sie klagen häufiger über schlechten Schlaf, leiden überproportional oft unter Schlafstörungen und berichten über Ein- und Durchschlafprobleme. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Frau eine behandlungsbedürftige Schlafstörung festgestellt wird, ist laut Studien um 40 Prozent höher als bei Männern.

Dieses Paradoxon ist aus der Forschung bekannt. Auch Amelia Scott sieht den Grund in einer Kombination aus biologischen, psychischen und sozialen Belastungsfaktoren. Die Wissenschaftlerin fordert deshalb mehr gesellschaftliche Unterstützung – etwa durch flexiblere Arbeitszeiten, Entlastung bei der Care-Arbeit und besseren Zugang zu Schlafdiagnostik und Therapie. Denn erholsamer Schlaf sei keine Frage der Statistik, sondern ein Schlüssel zur Lebensqualität.